2022 wurden Sabotageakte an den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 verübt. Nun sorgt ein anderer Fall an einer Gasleitung in der Ostsee für Unruhe – ausgerechnet in Gewässern des neuen Nato-Mitglieds Finnland.
Seismologen haben zum Zeitpunkt der Beschädigung der Ostsee-Pipeline Balticconnector Anzeichen für eine mögliche Explosion in der Nähe der Leitung verzeichnet. Eine Station im Süden Finnlands habe eine wahrscheinliche Explosion entdeckt, die sich in der Nacht zum Sonntag um 1.20 Uhr finnischer Ortszeit ereignet habe, teilte die norwegische seismologische Forschungseinrichtung Norsar mit. Das Ereignis habe eine Stärke von schätzungsweise 1,0 gehabt, was deutlich geringer sei als bei den Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines im September 2022.
Lokalisiert wurden die seismischem Signale demnach ungefähr 40 Kilometer nördlich von Paldiski in Estland. Die Daten seien jedoch mit großen Unsicherheiten verbunden, weitere Analysen liefen, schrieb das Institut am Dienstagabend in einer Mitteilung.
Estland: Müssen Antworten auf Pipeline-Schäden finden
Estland hat noch keine Erkenntnisse darüber, wer hinter der Beschädigung der Gaspipeline steckt. „Mittlerweile wissen wir, dass die Ursache nicht in der Natur, sondern vermutlich in menschlichem Handeln begründet liegt. Wer, warum und wie? Fahrlässigkeit oder Vorsatz? Diese Fragen müssen noch beantwortet werden“, schrieb Karis auf Facebook nach seiner Ankunft zu einem Besuch in Südkorea. „Meine Gedanken sind immer noch zu Hause, wo weiterhin neue Informationen über die Beschädigung eingehen“. Die Verantwortlichen müssten identifiziert und ans Licht gebracht werden, unabhängig von ihren Motiven, betonte er.
Der Staatschef des baltischen EU- und Nato-Landes versicherte, dass die Sicherheit der Gasversorgung und die grenzüberschreitende Internetverbindung Estlands nicht gefährdet seien. „Es ist jedoch klar, dass mehr Wachsamkeit, mehr Zusammenarbeit und mehr Ressourcen erforderlich sind, um die Sicherheit der Ostsee und unserer Verbindungen sowie der kritischen Infrastruktur zu gewährleisten“, schrieb Karis. „Das ist ein wichtiges Thema der nationalen Sicherheit Estlands, das jetzt im Fokus unserer Aufmerksamkeit bleiben muss.“
Auch Finnland geht davon aus, dass Schäden an der Gas-Pipeline durch Einwirkung von außen verursacht worden sind. Sowohl Präsident Sauli Niinistö als auch Ministerpräsident Petteri Orpo vermieden es am Dienstag zwar, offen von Sabotage zu sprechen oder Russland zu verdächtigen. Beide sprachen aber von „äußerer Aktivität“, die dem Vorfall wahrscheinlich zugrunde liege.
Pipeline zwischen Finnland und Estland
Die betroffene Pipeline Balticconnector verläuft zwischen Finnland und Estland. Die Betreibergesellschaften Gasgrid (Finnland) und Elering (Estland) hatten am frühen Sonntagmorgen einen plötzlichen Druckabfall in der Leitung bemerkt. Der Gastransport zwischen den beiden EU-Ländern wurde daraufhin unterbrochen. Seitdem ist die Leitung außer Betrieb. Das Gasleck wurde nach Gasgrid-Angaben mit der Isolierung des Teilabschnitts und dem Schließen der Ventile gestoppt. Die Reparatur dürfte nun Monate dauern. Die Kriminalpolizei leitete Ermittlungen ein, um festzustellen, ob tatsächlich Sabotage oder etwas anderes hinter dem Vorfall steckt.
Nato: „Beobachten die Situation sehr genau“
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach mit dem finnischen Präsidenten über den Schaden, wie in Brüssel ein Nato-Beamter berichtete. Das nordatlantische Verteidigungsbündnis sei bereits dabei, die Sicherheit der kritischen Infrastruktur unter Wasser zu verstärken. „Wir beobachten die Situation weiter sehr genau.“ Die Nato stehe in engem Kontakt mit Estland und Finnland. Unter anderem als Reaktion auf die Beschädigung stiegen die Preise am europäischen Erdgasmarkt kräftig an – liegen aber weiter unter dem Niveau, die sie im Zuge des russischen Krieges gegen die Ukraine erreicht hatten.
Die Leckstelle liegt nach Regierungsangaben in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Finnlands. Die festgestellte Beschädigung könne nach einer vorläufigen Beurteilung weder durch die normale Nutzung der Pipeline noch durch Druckschwankungen entstanden sein, sagte Orpo auf einer Pressekonferenz in Helsinki. Es sei wahrscheinlich, dass das Leck auf äußere Einwirkungen zurückzuführen sei.
Bei dem besagten Kabel handelt es sich um ein Kommunikationskabel, das Finnland und Estland verbindet. Nach Angaben der Regierung in Tallinn befindet sich dessen Beschädigung höchstwahrscheinlich in der estnischen Wirtschaftszone. Eine Bestätigung dafür stehe aber noch aus, sagte Verteidigungsminister Hanno Pevkur. Ob das Leck in der Gasleitung und der Kabelausfall miteinander in Verbindungen stehen, werde die Untersuchung zeigen. Ereignet hätten sie sich geografisch an unterschiedlichen Orten. Zeitlich lägen sie aber recht nah beieinander, sagte Pevkur.
Versorgungssicherheit gewährleistet
In dem Gespräch mit Nato-Generalsekretär Stoltenberg bekräftigte Niinistö, dass der Vorfall keinen Einfluss auf die Versorgungssicherheit seines Landes habe. Auch die estnische Regierung betonte, dass die Gasversorgung des nördlichsten der drei baltischen Staaten nicht beeinträchtigt sei. Mehrere Nato-Verbündete sprachen Finnland und Estland Unterstützung aus.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach mit Orpo und der estnischen Premierministerin Kaja Kallas. Sie verurteile jede Zerstörung kritischer Infrastruktur aufs Schärfste, teilte von der Leyen über X (ehemals Twitter) mit. Litauen teilte mit, die Überwachung seiner strategischen Infrastruktur zu verstärken.
Nach Angaben von Estlands Außenminister Margus Tsahkna gibt es Informationen darüber, welche Schiffe sich während des Vorfalls in der Umgebung der Pipeline bewegt haben. Noch sei es jedoch zu früh, diese offenzulegen. Der Vorfall zeige jedoch, dass der Sicherung kritischer Unterwasserinfrastruktur besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden müsse.
Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte Finnland im Mai 2022 den Beitritt zur Nato beantragt. Vor rund einem halben Jahr wurde das nordische EU-Land dann als 31. Mitglied in das Verteidigungsbündnis aufgenommen. Es grenzt auf einer Länge von rund 1340 Kilometern an Russland. (dpa)