Selenskyj will Sicherheitsgarantien auf dem Weg in die Nato

Die Nato hat der von Russland angegriffenen Ukraine Hoffnung auf eine Aufnahme gemacht, eine formelle Einladung aber an Bedingungen geknüpft. Präsident Wolodymyr Selenskyj hat ebenfalls Forderungen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will für sein Land Sicherheitsgarantien auf dem Weg in die Nato. Dafür wolle er „kämpfen“, sagte Selenskyj am Mittwoch am Rande des Nato-Gipfels in der litauischen Hauptstadt Vilnius bei einem kurzen Auftritt vor Journalisten.

Vor anstehenden Gesprächen mit Staats- und Regierungschefs des Bündnisses nannte er insgesamt drei eigene Prioritäten. „Die erste sind neue Waffenlieferungen für die Unterstützung unserer Streitkräfte auf dem Schlachtfeld“, sagte er. Auch wolle er über die Einladung zu einem Nato-Beitritt sprechen und Klarheit über die Bedingungen dafür schaffen. Er verstehe es so, dass eine Einladung erfolgen könne, wenn die Sicherheitslage es erlaube. Als weitere Priorität nannte er die Sicherheitsgarantien.

Duda: Kampferfahrene Ukrainer wären gute Verstärkung

Eine künftige Aufnahme der Ukraine in die Nato würde dem westlichen Militärbündnis aus Sicht von Polens Präsident Andrzej Duda kampferprobte Truppen und eine enorme Flächenausdehnung einbringen. Dies wäre auch eine Stärkung für Polen, sagte Duda am Mittwoch am Rande des Nato-Gipfels in der litauischen Hauptstadt Vilnius. „Heute sind wir die Flanke das Nato, aber wenn die Ukraine – was ich hoffe – einmal in die Nato aufgenommen wird, verschiebt sich diese Flanke zumindest teilweise nach Osten.“ Die Ukraine sei auch derzeit schon die Pufferzone, die Polen von der Bedrohung durch Russland trenne. Duda betonte, ein konkretes Beitrittsdatum für die Ukraine sei nicht möglich, solange dort noch gekämpft werde.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kämpft seit Monaten für eine formelle Einladung seines Landes in das westliche Verteidigungsbündnis. Die Nato knüpft eine solche Einladung an das von Russland angegriffene Land jedoch an Bedingungen. In einer am Dienstag in Vilnius beschlossenen Erklärung der 31 Mitgliedstaaten hieß es: „Die Zukunft der Ukraine ist in der Nato.“ Eine Einladung sei aber erst möglich, „wenn die Verbündeten sich einig und Voraussetzungen erfüllt sind“. Als Beispiele werden Reformen „im Bereich der Demokratie und des Sicherheitssektors“ genannt.

G7 wollen langfristige Sicherheitszusagen für Ukraine ankündigen

Die USA und Großbritannien haben eine gemeinsame Erklärung der Staats- und Regierungschefs der G7-Gruppe westlicher Industriestaaten zu langfristigen Sicherheitszusagen für die Ukraine angekündigt. Dabei gehe um bilaterale Abmachungen der einzelnen Staaten mit dem Ziel, die Ukraine in der Zukunft vor einer weiteren Aggression zu schützen, teilten das Weiße Haus und die britische Regierung am Mittwoch mit. US-Präsident Joe Biden wolle die Erklärung gemeinsam mit den anderen G7-Chefs und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Nachmittag beim Nato-Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius vorstellen, hieß es aus dem Weißen Haus.

Die britische Regierung erklärte, es gehe etwa darum, der Ukraine verschiedene Formen militärischer Unterstützung bereitzustellen, den Informationsaustausch zu stärken, Cyberunterstützung zu leisten und die Schulungsprogramme für das ukrainische Militär auszuweiten. „Wir können nie zulassen, dass sich das, was in der Ukraine passiert ist, wiederholen wird, und diese Erklärung bekräftigt unsere Verpflichtung, sicherzustellen, dass sie nie wieder der Art von Brutalität ausgesetzt wird, die Russland ihr angetan hat“, sagte der britische Premierminister Rishi Sunak.

Bidens Schutzszenario für Kiew

US-Präsident Joe Biden hatte ein Schutzszenario für Kiew bereits in einem am Sonntag ausgestrahlten CNN-Interview umrissen. Die USA seien bereit, der Ukraine nach einem Ende des russischen Angriffskrieges einen ähnlichen Schutz zu bieten wie Israel, sagte er. In dem Vorschlag bezog Biden sich auf die Zeit zwischen Kriegsende und einem möglichen Nato-Beitritt. Der Prozess für ein Land, dem westlichen Militärbündnis beizutreten, brauche Zeit. In der Zwischenzeit könnten die USA der von Russland angegriffenen Ukraine die nötigen Waffen bereitstellen und sie mit Fähigkeiten ausstatten, um sich selbst zu verteidigen. Biden betonte aber, dass dies nur im Fall eines Waffenstillstands und eines Friedensabkommens denkbar wäre.

Die USA unterstützen Israel jedes Jahr mit rund 3,8 Milliarden US-Dollar – davon geht ein beachtlicher Teil in die Abwehr von Raketen und Militärtechnik. Kein anderes Land weltweit seit dem Zweiten Weltkrieg hat einem jüngsten Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses mehr Unterstützung von den USA erhalten.

Die USA unterstützen auch die Ukraine schon jetzt massiv: Seit Kriegsbeginn Ende Februar 2022 haben sie nach eigenen Angaben militärische Hilfe im Umfang von mehr als 40 Milliarden US-Dollar bereitgestellt oder zugesagt.

Großbritannien kündigte am Mittwoch zudem an, der Ukraine mehr als 70 weitere Kampf- und Logistikfahrzeuge sowie Tausende Schuss Munition für die bereit gestellten Kampfpanzer vom Typ Challenger 2 zu senden. Damit werde sichergestellt, dass die ukrainischen Einheiten über die Mittel verfügen, Munition und Ausrüstung zu transportieren, verletzte Soldaten zu evakuieren und beschädigte Fahrzeuge zu bergen. Zudem will Großbritannien mit einem medizinischen Rehabilitationszentrum die „Genesung und Rückkehr von Soldaten in die Verteidigungslinien der Ukraine nach einer Kampfverletzung unterstützen“. (dpa)