«Die Unschuld» von preisgekröntem Japaner Koreeda

Ein starkes Drehbuch, eine einfühlsame Geschichte über zwei Schuljungen und Erinnerungen an «Das Lehrerzimmer»: Über Hirokazu Koreedas neuen Film «Die Unschuld».

Ein Film über Gruppendynamiken an einer Schule, die außer Kontrolle geraten: Das erinnert an Ilker Çataks oscarnominiertes Drama «Das Lehrerzimmer». Der japanische Filmemacher Hirokazu Koreeda hat sich dem Thema in seinem neuen Film «Die Unschuld» ebenfalls angenommen. Und schafft es, daraus einen ganz anderen, aber ebenso gewinnenden Film zu machen. 

In Cannes ausgezeichnet

Mit seinen sensiblen Filmen über Familien-Dynamiken hat Koreeda (61) eine große Fangemeinde gewonnen. Auch mit «Die Unschuld» ist ihm wieder eine nuancierte, einfühlsame Geschichte gelungen. Das Drama beleuchtet aus verschiedenen Perspektiven die intensive Freundschaft zwischen zwei Schülern. 

Das Drehbuch von Yuji Sakamoto wurde vergangenes Jahr in Cannes ausgezeichnet. Bei dem französischen Filmfestival hatte Koreeda 2018 auch die Goldene Palme für sein Drama «Shoplifters» gewonnen.

Geschichte aus verschiedenen Perspektiven 

«Die Unschuld» erzählt aus verschiedenen Perspektiven vom Leben des jungen Schülers Minato: erst aus der Sicht der Mutter, dann aus der eines Lehrers und schließlich aus der des Jungen. Als Minato sich mehr und mehr zurückzieht, spürt seine alleinerziehende Mutter, dass etwas nicht stimmen kann. Minato erzählt ihr nach einigem Zögern, dass ein Lehrer ihn angegriffen und beleidigt habe. Seine Mutter ist außer sich und versucht, den Lehrer aus der Schule werfen zu lassen. Sie gerät in eine Auseinandersetzung mit der Schulleiterin und anderen Lehrkräften.

Dann aber werden die Geschehnisse aus Sicht des Lehres erzählt, und es zeigt sich, dass die Situation nicht so einfach ist. Fragen über Minatos Beziehung zu einem anderen Schüler namens Eri werden aufgeworfen - es wird angedeutet, dass Minato am Mobbing des Jungen beteiligt sein soll.

Die Konflikte der Erwachsenen untereinander führen dazu, dass die Sicht der Kinder völlig in den Hintergrund gerät. Das ändert sich, als das Geschehen schließlich aus der Perspektive von Minato erzählt wird. Vermeintliche Gewissheiten werden erneut auf den Kopf gestellt. Es wird klar, dass Minato und Eri viel mehr verbindet als anfangs gedacht.

Plädoyer für mehr Empathie

Koreeda gelingt es, die Emotionen seiner Figuren einzufangen und eine berührende Geschichte über kindliche Unsicherheit, Gruppenzwang, Freundschaft und Liebe zu entwerfen. Gleichzeitig spielt er mit den Erwartungen des Publikums, das ebenso wie die Figuren im Film zu vorschnellen Urteilen verlockt wird. Damit kann «Die Unschuld» - ebenso wie das «Lehrerzimmer» - auch als Plädoyer für mehr Empathie und Besonnenheit in unserem Alltag verstanden werden.  (dpa)