Hurrikan „Melissa“: Steigende Opferzahl und erste Hilfsflüge

Zerstörte Häuser, verzweifelte Inselbewohner – und Retter, die mit Macheten blockierte Straßen freiräumen: Die Hurrikan-Katastrophe in der Karibik hat viele Menschen von der Außenwelt abgeschnitten.

Der zerstörerische Hurrikan „Melissa“ ist inzwischen keine Gefahr mehr für die Karibikstaaten, hat dort aber mindestens 50 Menschen das Leben gekostet und Schäden in Milliardenhöhe angerichtet. Während der Wirbelsturm auf seinem weiteren Weg über den Nordatlantik keine akute Bedrohung mehr darstellt, landeten im schwer betroffenen Inselstaat Jamaika die ersten Hilfsflüge. Dort brauchen die Menschen angesichts der Verwüstung ganzer Landstriche dringend Unterstützung, wie die Behörden mitteilten.

Laut dem US-Hurrikanzentrum in Miami zog der Wirbelsturm in der Nacht zum Freitag (Ortszeit) westlich an der im Atlantik gelegenen Inselkette Bermuda vorbei. Da er zu diesem Zeitpunkt nur noch als Hurrikan der Stärke 2 von 5 mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 155 Kilometern pro Stunde eingestuft wurde und das Sturmzentrum nicht über Land lag, kam das britische Überseegebiet allem Anschein nach glimpflich davon. Danach sollte sich „Melissa“ noch weiter abschwächen und schließlich als Tiefdruckgebiet über dem Atlantik enden.

Lage auf Jamaika bleibt kritisch

In der Karibik hinterließ „Melissa“ hingegen eine tödliche Schneise der Verwüstung. Allein in Haiti starben nach vorläufigen Behördenangaben 30 Menschen, auf Jamaika mindestens 19, aus der Dominikanischen Republik wurde ein Todesopfer gemeldet. Auf Kuba und den Bahamas blieb es nach bisherigen Erkenntnissen bei Sachschäden.

Allerdings ist gerade in Jamaika mit steigenden Opferzahlen zu rechnen, auch weil viele Ortschaften nach wie vor von der Außenwelt abgeschnitten sind. Windgeschwindigkeiten von bis zu 295 Kilometern pro Stunde haben dort ein Bild der Zerstörung hinterlassen: Zahllose Häuser sind in sich zusammengekracht, Bäume und Strommasten umgestürzt, mehr als 100 Straßen unpassierbar und Hunderttausende Menschen weiter ohne Strom. Rettungsteams versuchen blockierte Straßen mit Macheten zu räumen.

Regierung warnt vor Spendenbetrug

„Im Moment geht es darum, die Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen und möglichen Verletzten zu helfen“, sagte Bildungs- und Informationsministerin Dana Morris Dixon. Besonders im Westen des Landes sei die Lage „erschütternd“. In der verwüsteten Küstenstadt Black River im Südwesten der Insel drängten sich verzweifelte Einwohner auf der Suche nach Vorräten vor einem geschlossenen Supermarkt.

Immerhin können auf den zwischenzeitlich gesperrten Flughäfen Jamaikas inzwischen wieder Maschinen landen. Am Donnerstag wurden 13 Hilfsflüge erwartet. Von der US-Regierung entsandte Such- und Rettungsteams sind bereits auf der Insel.

Die Not der Menschen und die Hilfsbereitschaft im Ausland führen allerdings auch zu Trittbrettfahrern. Jamaikas Regierung warnte vor betrügerischen Spendenaufrufen und rief dazu auf, nur das offizielle Spendenportal (www.supportjamaica.gov.jm) zu nutzen.

Einer der stärksten Hurrikane im Atlantik

„Melissa“ war am Dienstag (Ortszeit) als Hurrikan der stärksten Kategorie 5 auf die Südwestküste Jamaikas getroffen. Das US-Hurrikanzentrum sprach von einem der stärksten Hurrikane, die je im Atlantik aufgetreten sind.

Auch in Haiti kam es durch anhaltenden Regen zu Überschwemmungen und Erdrutschen, obwohl „Melissa“ dort nicht auf Land traf. Da es neben Dutzenden Toten auch weiterhin 20 Vermisste gibt, sind wie in Jamaika steigende Opferzahlen zu befürchten. In Kuba blieb es bei Überschwemmungen und Erdrutschen. Auf den Bahamas, wo „Melissa“ ebenfalls auf Land traf, mussten vor dem Sturm 1.500 Menschen von sechs Inseln ausgeflogen werden.

Schäden um die 50 Milliarden Dollar befürchtet

Nach ersten Schätzungen des privaten US-Wetterdienstes AccuWeather, der auch die Auswirkungen von Unwettern beurteilt, könnten sich der Gesamtschaden und die wirtschaftlichen Verluste durch den Sturm auf 48 bis 52 Milliarden US-Dollar (etwa 41 bis 45 Milliarden Euro) belaufen. (dpa)